Zur Behandlung von Erkrankungen mit aus Stammzellen hergestellten Organen oder Geweben benötigt man nicht unbedingt embryonale Stammzellen. Letztere sind aufgrund der ethischen Problematik gegenwärtig sehr umstritten, nicht zuletzt auch aufgrund fraglich gefälschter Veröffentlichungen des sükoreanischen Stammzellen-Forschers Hwang.
Der Wissenschaftler Peter Schultz vom
Scripps Research Institute in La Jolla/Kalifornien hat mit nun seinem Team nun einen Wirkstoff synthetisiert, der neuronale Rattenhirn-Stammzellen dazu anregt, selektiv zu Nervenzellen (Neuronen) zu differenzieren. Damit könnte das Molekül namens Neuropahtiazol ein neuer Lösungsansatz für die Herstellung von Stammzellen sein. Vorteil dieses Verfahrens wäre, dass man degenerative Erkrankungen des Nervensystems wie Alzheimer, Parkinson oder Multiple Sklerose mit sogenannten adulten Stammzellen heilen könnte und keine menschlichen Embryonen benötigte.
Adulte neuronale Stammzellen bergen das Potenzial, zu funktionstüchtigen Neuronen und neuronenbegleitenden Zellen (Astroglia) zu reifen. Die Mechanismen sind bisher allerdings nur wenig geklärt. Bei den neurodegenerativen Erkrankungen setzen die Wissenschaftler Hoffnungen auf die Stammzelltherapie. Stammzellen können sich teilen und sind noch nicht differenziert, können sich also prinzipiell zu einem beliebigen Zelltyp entwickeln. So können sich neuronale Stammzellen aus bestimmten Regionen des erwachsenen Hirns zu Neuronen, Astrocyten - das sind Zellen, die die Neuronen versorgen - oder Gliazellen, die die elektrische Isolierung um die Fortsätze der Neuronen bilden, differenzieren. Zwar sind einige Substanzen wie Vitamin-A-Säure dafür bekannt, die Differenzierung auszulösen oder zu lenken, allerdings kann keine davon eine ausreichende Aktivität und Selektivität bieten.
Das Team um Schultz hat nun gezielt nach einem Molekül gesucht, das neuronale Stammzellen ausschließlich zu Neuronen reifen lässt. Dazu untersuchten die Forscher 50.000 heterozyklische Verbindungen mit in einem Hochdurchsatz-Screening. Dabei wurden Tröpfchen der gelösten Substanzen auf winzige Zellkulturen neuronaler Rattenhirn-Stammzellen gegeben. Eine der Verbindungen schien besonders wirksam zu sein. Unter dem Einfluss von Neuropathiazol reiften mehr als 90 Prozent der neuronalen Stammzellen zu Neuronen. Das Erstaunliche dabei war die Tatsache, dass anders als bei Vitamin-A-Säure, keinerlei Astrocyten oder Gliazellen entstanden. Das synthetische Molekül hemmt sogar die Reifung zu Astroglia, wenn diese Differenzierung durch andere Wirkstoffe bereits ausgelöst wurde. Die Forscher hoffen nun, mit Hilfe von Neuropathiazol die Mechanismen bei der Differenzierung neuronaler Stammzellen zu Neuronen weiter aufzuklären.